Sind Einkünfte aus der Verhinderungspflege für Ersatzpflegepersonen steuerpflichtig?
Die größten Fallstricke:
1. Es gibt einen Unterschied in der Definition von Angehörigen sozialversicherungsrechtlich und steuerrechtlich
2. Es gibt zwar keine Obergrenzen beim Stundensatz, aber Obergrenzen pro Jahr
3. Es gibt Unterschiede bei Nicht- bzw. entfernten Verwandten – ob moralisch/sittlich verpflichtet oder nicht…
Grundlegendes vorab
Des weiteren wird der einfachen Lesbarkeit halber auf die Nennung aller Geschlechterformen weitgehend verzichtet.
Verhinderungspflege heißt kurz gesagt: die eigentliche Haupt-Pflegeperson ist kurzfristig verhindert, weil sie z.B. beim Friseur/Sport/Yoga ist, sich ein paar Stunden Auszeit nimmt oder zum Arzt muß (= „stundenweise Verhinderung“, also weniger als 8 Std. am Stück) ODER (und das ist ein wesentlicher Unterschied!) sie z.B. länger krank ist, im Urlaub ist etc. (= „tageweise Verhinderung“, also ab 8 Std. am Stück)
Die gesamte Dauer der Verhinderungspflege darf bei tageweiser Verhinderung insgesamt längstens 6 Wochen im Kalenderjahr betragen, kann aber in jedem Fall (stunden- oder tageweise) in „Etappen“ und für mehrere Pflegepersonen (Angehörige und/oder „fremde“ bzw. in „sittlicher Pflicht“ stehende – dazu später mehr) gemischt genutzt werden.
Und hier kommt nun dieser Unterschied zum Tragen: stundenweise Verhinderungspflege ist unabhängig von den 6 Wochen und wird voll erstattet, tageweise Verhinderungspflege geht für max. 6 Wochen/42 Tage und wird auf das Pflegegeld angerechnet, d.h. dieses wird für die jeweiligen Tage auf die Hälfte gekürzt!
Daher genau Buch führen, wer wann wie lange die Verhinderungspflege ausgeführt hat.
Um den gesamten Betrag der Verhinderungspflege zu erhalten, darf die Ersatzpflegeperson NICHT Angehöriger bis zum 2. Grad sein und auch nicht im selben Haushalt leben. Sonst wird weniger bezahlt, und zwar….
Wieviel wird bezahlt?
Die Verhinderungspflege kann in Höhe von 1612€ pro Kalenderjahr bei der Pflegekasse beantragt werden. Wurde das Budget der Kurzzeitpflege (ebenfalls Anspruch in Höhe von 1612€ pro Kalenderjahr) nicht oder nur teilweise in Anspruch genommen, erhöht sich der Anspruch um 50% des Budgets für die Kurzzeitpflege. Insgesamt stehen dem Pflegebedürftigen prinzipiell also 2418€ pro Jahr zusätzlich zu den weiteren Leistungen der Pflegekasse zur Verfügung für die Pflegeleistung sowie für Fahrtkosten und/oder Verdienstausfall der Ersatzpflegepersonen (es können auch mehrere sein).
Falls die Pflegeperson ein Angehöriger bis zum 2. Grad ist bzw. im selben Haushalt lebt, wird nur max. das 1,5-fache des monatlichen Pflegegeldes pro Jahr (!) als Verhinderungspflege anerkannt. Bei einem Pflegegrad 2 zum Beispiel also nur 1,5x 316€ = 474€ pro Jahr.
Weitere Kosten wie Lohnausfall, Fahrtkosten (20ct pro gefahrenem Kilometer bzw. tatsächlichen Kosten) und Unterkunft können aber zusätzlich bis zum Höchstbetrag (1612€ bzw. 2418€) geltend gemacht werden.
Und wann muss nun was versteuert werden?
Die Basis für die Bewertung findet sich u.a. in
§3 EStG Nr. 36 (Steuerfreie Einnahmen)
§33 SBG XI (Leistungsvoraussetzungen)
§37 SGB XI(Pflegegeld)
§39 SGB XI (Verhinderungspflege)
§1589 BGB bzw. §1590 BGB (Angehörige aus sozialrechtlicher Sicht)
§15 AO (Angehörige aus steuerrechtlicher Sicht)
WICHTIG: Es gibt einen Unterschied in der Definition des Begriffes „Angehöriger“ laut Sozialrecht für die Verhinderungspflege (geregelt im §39 SGB XI – bis zum 2. Verwandschafts-Grad) und im Steuerrecht für die Versteuerung von Einkünften (geregelt im §15 AO – bis zum 3. Verwandschafts-Grad)!
Das Einkommen, das die Ersatzpflegeperson vom Pflegebedürftigen aus der Verhinderungspflege erhält, muss NICHT versteuert werden, wenn:
a) die Pflegeperson steuerrechtlich (!) Angehöriger bis zum 3. Grad ist (ACHTUNG: Kürzung des Pflegegeldes auf das 1,5 fache – siehe oben)
ODER
b) die Pflegeperson steuerrechtlich (!) weiter weg (ab 4. Grad) oder nicht verwandt/verschwägert ist UND nicht im selben Haushalt lebt ABER eine „sittliche und moralische Pflicht“ hat.
„Sittliche und/oder moralische Pflicht“ bedeutet, die Pflegeperson ist zwar nicht Angehörige/r bis (steuerrechtlich) 3. Grad, steht mit dem Pflegebedürftigen aber in einer engen Beziehung, also alles ab Cousin/Cousine sowie FreundInnen, ArbeitskollegInnen, NachbarInnen etc. Eine „enge Beziehung“ muss im Zweifel auch nachgewiesen werden können!
Es geht noch mehr
- Nach § 3 Nummer 36 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind „Einnahmen für Leistungen zur Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung bis zur Höhe des Pflegegeldes nach § 37 SGB XI steuerfrei, wenn diese Leistungen von Angehörigen des Pflegebedürftigen oder von anderen Personen, die damit eine sittliche Pflicht gegenüber dem Pflegebedürftigen erfüllen, erbracht werden“ – so der Wortlaut im Gesetz.
=> Ergo: es kann auch MEHR als nur der Betrag aus der von der Pflegekasse finanzierten Verhinderungspflege steuerfrei gezahlt werden, wenn die Vorgaben des §3 Nr. 36 EStG (Angehörige bis zum steuerlich! 3. Grad oder „sittliche Pflicht“) erfüllt sind. Dann aber aus eigener Tasche z.B. durch den Pflegebedürftigen, die Refinanzierung über die Verhinderungspflege ist gedeckelt (siehe oben). - Ist die Ersatzpflegekraft zwar Angehöriger oder in „sittlicher Pflicht“ aber die für die Pflegeleistung bezahlte Summe liegt höher als das Pflegegeld pro Jahr, das der Pflegebedürftige gemäß Pflegegrad erhält, wird alles, was darüber hinausgeht, steuerpflichtig! Es handelt sich also um einen Freibetrag für den Pflegenden.
Der/die Pflegebedürftige lebt einem/r PartnerIn zusammen, hat aber weder eine eingetragene Lebensgemeinschaft noch ist verlobt (=> die beiden sind also KEINE Angehörigen). Da der/die informell pflegende PartnerIn in einer „sittlichen Pflicht“ steht, kann er/sie eine Summe bis zur Höhe des an den/die Pflegebedürftige/n gezahlten Pflegegeldes laut Pflegegrad steuerfrei für die Pflegeleistungen erhalten („Freibetrag“) . Alles was darüber hinaus geht, wird steuerpflichtig (§3 EStG).
Da die Pflegeperson (also PartnerIn) aber in häuslicher Gemeinschaft lebt, wird nur max. das 1,5-fache des Pflegegeldes als jährlicher Anspruch aus der Verhinderungspflege anerkannt (zzgl. evtl. Kosten – siehe Punkt 2.) und von der Pflegekasse übernommen. Den Rest muss der Pflegebedürftige aus eigener Tasche finanzieren.
Noch ein paar wichtige Tipps
- der bezahlte Stundensatz ist prinzipiell frei wählbar
- Unterschied beachten: Verhinderungspflege „stundenweise“ (weniger als 8 Std. – wird NICHT auf Pflegegeld angerechnet) versus „tageweise“ (ab 8 Std. – wird auf Pflegegeld angerechnet) => da nicht die Dauer der Verhinderungspflege relevant ist sondern die Dauer der Abwesenheit der eigentlichen Pflegeperson sollte diese also idealerweise nicht mehr als 7:59 Std. verhindert sein…
- Liste führen mit Einsatzzeiten, damit die Kasse nicht z.B. aufeinanderfolgende Tage als „tageweise Verhinderungspflege“ zusammenrechnet (Datum, Uhrzeit von-bis, wer hat gepflegt)
- Es ist NICHT verpflichtend, einen Grund für die Verhinderungspflege anzugeben (wird aber trotzdem oft abgefragt). Also einfach z.B. „Diverse“ reinschreiben
- Ggfs. Belege sammeln für Auslagen der Pflegeperson wie z.B. Fahrtkosten (Zug-/Bustickets) oder Lohnausfall
- Übrigens: für Sozialleistungen gilt eine Verjährungsfrist von 4 Jahren! Verhinderungspflege kann also auch für die letzten Jahre noch in aller Ruhe rückwirkend beantragt werden.
- Verhinderungspflege muss NICHT monatlich und auch nicht im Voraus beantragt werden, aber der Pflegebedürftige muss die Pflegeleistung der Verhinderungspflege (und Kurzzeitpflege) im jeweiligen Kalenderjahr in Anspruch nehmen und damit bei der Zahlung ggfs. in Vorleistung gehen. Die Geldleistung (also die Rückerstattung als Verhinderungspflege der Pflegekasse) kann innerhalb der Verjährungsfrist von 4 Jahren beantragt werden.
- Verhinderungspflege kann auch NACH dem Tod des Pflegebedürftigen bei der Pflegekasse geltend gemacht werden für bereits vor dem Tod bezahlte Unterstützungsleistung. Wichtig: Der Anspruch auf Geldleistungen erlischt prinzipiell mit dem Ableben des/der Versicherten. Es ist daher wichtig, dass eine Vollmacht „über den Tod hinaus“ gegenüber der Pflegekasse ausgestellt ist. Die Frist für die Beantragung von Leistungen aus der Verhinderungspflege ist ein Jahr nach Tod des/der Versicherten. Ggfs. ist eine Kopie des Erbscheins oder notariellen Testamentes bei der Pflegekasse einzureichen, um den Antrag auf VHP zu bearbeiten.
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