Corona-Chaos zwischen Job, Familie & Pflege
Was wir in Sachen Mitarbeiter-Unterstützung aus der Krise lernen können
Solidarische Hilfe für betroffene Mitarbeiter kann zum Türöffner für die Akzeptanz von Sparmaßnahmen werden
Mit Kindern im Home Office und pflegebedürftigen Eltern, die betreut werden sollen
Es spielten sich prekäre Szenen in den privaten Haushalten der von der Corona-Krise betroffenen Beschäftigten ab: Schulen, Horte und Kindergärten wurden geschlossen, Kinder mussten parallel zum Home Office betreut werden, Pflege-Tagesstätten mussten ebenfalls dicht machen, Pflege- und Hilfsdienste kamen teilweise nur noch sporadisch zu Senioren und Schwerbehinderten, ehrenamtliche Helfer für die Begleitung und Unterstützung im Alltag und Haushalt waren völlig überbucht und die berufstätigen Angehörigen teilweise hunderte Kilometer von den Hilfs- und Pflegebedürftigen entfernt.
Die Nachwirkungen der Corona-Krise sind für viele Unternehmen immer noch existenzbedrohend und die Solidarität der Mitarbeiter wesentlich, um Einschnitte im Betrieb schnell und kostensparend durchsetzen zu können. Mitarbeiter daher in ihrer privaten Notlage zu unterstützen, kann die Bereitschaft zur Kooperation steigern. Die Vereinbarkeit von Familie, Pflege & Beruf ist zu „normalen“ Zeiten oft schon eine Herausforderung. Mit den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie wird es für manche Erwerbstätigen zur Zerreißprobe.
Mitarbeiter-Unterstützung und Entlastung in der Krise durch den Arbeitgeber
Es gibt eine Menge Möglichkeiten, wie Arbeitgeber ihre Beschäftigten in privaten Notlagen organisatorisch, finanziell und steuerlich gefördert bzw. durch die Übermittlung der richtigen Informationen unterstützen können. Elementar ist auch hier wie so oft: Die Betroffenen müssen wissen, wann sie was wo und unter welchen Voraussetzungen beantragen können bzw. was ihnen zusteht. Da insbesondere pflegende Beschäftigte als Angehörige nirgends erfasst sind, ist es für sie besonders schwer, an die richtigen Informationen zu kommen. Sie stehen mangels Adressierbarkeit in einer konstanten Holschuld und müssen sich erforderliches Wissen im Regelfall selbst zusammentragen, viele Leistungen, die zum Beispiel von Pflegekassen übernommen werden, sind daher nicht oder viel zu wenig genutzt.
Umso wichtiger ist deshalb die Unterstützung seitens der Arbeitgeber als „Multiplikatoren“ für Informationen und Serviceleistungen passend zur aktuellen Krisen-Situation. Auch wenn nach „Corona“ die Wirtschaft nicht mehr so ist wie vorher – in der Not wird klar, wer zur Seite steht. Und wer nicht. Unternehmen können sich dementsprechend positionieren und nachhaltig Eindruck bei Beschäftigten und Umfeld hinterlassen mit entsprechend positiven Auswirkungen auf „Employer Branding“ und Außenwirkung des Unternehmens auf Umfeld, Lieferanten und Partner im Sinne von ESG-Kriterien (Environmental, Social und Governance) und Nachhaltigkeit – und die Solidarität der Beschäftigten!
Teil 1: Was können Arbeitgeber ihren Beschäftigten kurzfristig und unmittelbar anbieten?
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Beratungs- und Vermittlungsleistungen
Krisenhilfe
Betrieblich bedingte Ersatzbetreuung
Notfall-Beihilfe
Betriebliches Entgeltmanagement
Internetzuschuß & betriebliche Geräte zur Kommunikation mit Schule und Großeltern
Zusätzlich kann der Arbeitgeber auch noch bis zu 50€ Internetpauschale gem. § 3 Nr. 45 EStG monatlich ohne Belegnachweis als Kostenzuschuss gewähren. Auch hier ist ausdrücklich keine ausschließlich betriebliche Nutzung erforderlich und deckt damit auch rein privat verursachte Gebühren ab.
Arbeitgeber-Darlehen - auch zinslos oder zinsverbilligt
Kind erkrankt: bezahlte / unbezahlte Freistellung und Krankengeld
- die Erkrankung macht eine Pflege erforderlich
- die Pflege und Betreuung kann nicht durch andere z.B. Verwandte sichergestellt werden, zum Beispiel, weil die Großeltern nicht durch das Corona-Virus in Gefahr gebracht werden darf
- in der Regel darf das kranke Kind nicht älter als 8 Jahre sein (die Anforderungen an die Erkrankung und damit den Grad der Pflege steigen bei älteren Kindern)
- Das Kind lebt im Haushalt des Arbeitnehmers
- Es liegt eine ärztliche Bescheinigung vor, dass das Kind der Pflege bedarf
Sind mehr als 5 Tage für die Krankenbetreuung des Kindes erforderlich, besteht für Beschäftigte nach § 45 SGB V ab dem 6. Arbeitstag einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses über die Erfordernis des Fernbleibens von der Arbeit
- das erkrankte Kind ist jünger als 12 Jahre
- die Freistellung pro Kind und Kalenderjahr überschreitet nicht 10 Arbeitstage einem verheirateten oder zusammenlebenden Paar bzw. 20 Arbeitstage bei Alleinerziehenden
- die Höchstanzahl von unbezahlten, freigestellten Arbeitstagen pro Jahr ist noch nicht ausgeschöpft (25 Arbeitstage/Arbeitnehmer bei einem Paar und 50 Arbeitstage bei Alleinerziehenden, unabhängig von der Anzahl der Kinder in der Familie)
Während der unbezahlten Freistellung zahlt die gesetzliche Krankenkasse Krankengeld gem. §45 SGB V wobei das Krankengeld 70% der Beitragsbemessungsgrenze nicht übersteigt.
Bei einem todkranken Kind besteht übrigens unabhängig vom Alter Anspruch auf unbezahlte Freistellung.
Akute Pflegesituation - unbezahlte Freistellung und Pflegeunterstützungsgeld
Ist ein Anspruch auf Lohnfortzahlung nicht anderweitig geregelt (z. B. durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung o.ä.), können Beschäftige Pflegeunterstützungsgeld (§ 44a Absatz 3 SGB XI) bei der Pflegekasse des pflegebedürftigen bzw. angehend pflegebedürftigen Angehörigen (Pflegebedürftigkeit muss, falls nicht schon vorhanden, absehbar sein) als Lohnersatz geltend machen. Dabei liegt auch hier die Grenze analog dem Krankengeld bei der Betreuung erkrankter Kinder bei 70% der Beitragsbemessungsgrenze. Für die Berechnung gilt ebenfalls §45 SGB V Abs. 2 Satz 3-5.
Pflegezeit / Familienpflegezeit
Für pflegende Mitarbeiter besteht ein Anspruch auf Freistellung für Pflegezeit (bis zu 6 Monate) oder Familienpflegezeit (bis zu 24 Monate), der von dem / der betroffenen Beschäftigen mit einem Vorlauf von 10 Tagen geltend gemacht werden muss. Voraussetzung ist, dass es im Unternehmen mehr als 15 (Pflegezeit) bzw. 25 (Familienpflegezeit) Beschäftigte gibt. Während der gewährten Pflegezeit bzw. Familienpflegezeit besteht Kündigungsschutz. Ein Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht für den in Anspruch genommenen Zeitraum nicht, der Bund bietet deshalb den Betroffenen ein zinsloses Darlehen. Alle Infos dazu auf der Webseite des Bundesfamilienministeriums www.wege-zur-pflege.de
Kurzzeit- / Ferien- / Notfallbetreuung für Kinder
Bei dem Angebot einer vom Arbeitgeber finanzierten Betreuung für schulpflichtige Kinder ist der geldwerte Vorteil zu beachten. Bei Übernahme solcher Kosten für schulpflichtige Kinder kann eine Lohnsteuerpflicht ausscheiden, wenn ein eigenbetriebliches Interesse vorliegt wie im aktuellen Fall der Corona-Krise. Damit keine Nachversteuerungen anfallen, klären Sie Ihre individuelle Situation bitte mit Ihrer Steuerberatung (Betriebsvereinbarung). Sie können als Arbeitgeber natürlich auch die Kosten einer zusätzlich anfallenden Lohnsteuerpflicht übernehmen.
Tipp: Wenn Sie sich in der Region als engagierter Arbeitgeber positionieren möchten, lassen Sie auch andere Kinder an der Betreuung teilnehmen. Die Veranstaltung ist dann öffentlich zugänglich und damit nicht als Entlohnung für die betroffenen Beschäftigten zu werten. Unter Umständen ist dies mit entsprechender Pressearbeit ein guter Weg, sich als Arbeitgeber auch bei potentiellen Mitarbeitern in der Umgebung bekannt zu machen.
Zeitwertkonten
Zeitwertkonten werden auch Wertkonten, Langzeitarbeitskonten oder Langzeitkonten genannt.
Aktuell bei Mitarbeitern bereits bestehende Guthaben können insbesondere für solche Notfälle wie in der Corona-Krise zur Überbrückung von Betreuungsausfällen genutzt werden.
Sind Zeitwertkonten noch nicht genutzt, ist das natürlich keine kurzfristige Möglichkeit, sollte aber für zukünftige Szenarien als Instrument einer modernen Personalpolitik in Betracht gezogen werden. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt von Lohnsteuer und SV-Beiträgen sind Zeitwertkonten günstig, weil eine nachgelagerte Besteuerung bzw. Abführung erfolgt. Eine umfassende Übersicht über Wertguthaben beinhaltet die Broschüre des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
Teil 2: Welche Informationen sollten an betroffene Beschäftigte weitergegeben werden?
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Videokommunikation mit Pflegebedürftigen als Kassenleistung
Mit Pflegegrad und entsprechendem Antrag bei der Pflegekasse stehen jedem Pflegebedürftigen pro Monat 23,-€ als Kostenersatz für ein Notrufsystem mit 24-Stunden-Notrufzentrale (stationär oder mobil) als Kassenleistung zu. Installationen sind nicht erforderlich, die Geräte werden einsatzbereit verschickt. Infos und Antragsformular dazu gibt es zum Beispiel bei unserem Partnerunternehmen libify.
Landespflegegeld - 1.000€ extra ab Pflegegrad 2 in Bayern
In anderen Bundesländern gibt es Landespflegegeld nur für Schwerbehinderte bzw. Blinde oder Gehörlose. Eine Übersicht über die einzelnen Bundesländer und die Links zur Antragstellung auf der Webseite von altenpflege-hilfe.net
Verhinderungspflege & Kurzzeitpflege: bis zu 2.418€ pro Jahr für Hilfeleistungen
Ab Pflegegrad 2 stehen allen Pflegeversicherten pro Jahr 1.612€ aus der Verhinderungspflege zu für eine Pflegevertretung, wenn zum Beispiel pflegende Mitarbeiter als Pflegepersonen in bestimmten Zeiträumen nicht verfügbar sind und der Pflegegrad vor mindestens 6 Monaten beantragt und genehmigt wurde.
Ein Grund muss für die Verhinderung nicht angegeben werden (auch wenn die Kassen in den Antragsformularen gerne danach fragen – einfach „diverse“ angeben). Werden die Leistungen von ebenfalls 1.612€ aus der Kurzzeitpflege nicht bzw. nicht voll ausgeschöpft, kann der Betrag für die Verhinderungspflege daraus um 50% aufgestockt werden, gesamt also auf 2.418€.
Gezahlt werden kann der volle Betrag (zzgl. Auslagen für Fahrtkosten oder Lohnausfall) an Personen, die nicht oder über den 2. Grad hinaus (gem. §1590 BGB) mit der pflegebedürftigen Person verwandt oder verschwägert sind, also externe Helfer, Nachbarn, Freunde oder weiter entfernt Verwandte. Es müssen also KEINE in irgendeiner Form zertifizierten oder geschulten Personen sein (im Gegensatz zum Entlastungsbetrag siehe nächster Punkt), die diese Tätigkeiten der Verhinderungspflege ausüben! Wenngleich auch ein Grundwissen über den Umgang mit Pflegebedürftigen und insbesondere mit demenziell Erkrankten von Vorteil ist. Besteht für eine solche Ersatz-Pflegeperson eine sog. „moralische Verpflichtung“ zur Unterstützung (z. B. aufgrund langjähriger Freundschaft), sind für die Ersatz-Pflegeperson die Einnahmen aus der Unterstützungsleistung in der Regel steuerfrei. Andernfalls hat sie die Einnahmen als Einkünfte in der Steuererklärung anzugeben.
Kommen Verwandte bis zum 2. Grad zum Einsatz, reduziert sich der Betrag der Verhinderungspflege auf das 1,5fache des monatlichen Pflegegeldes (je nach Pflegegrad) als jährliche Leistung.
Wichtig zu wissen ist für die Betroffenen der Unterschied zwischen stundenweiser (UNTER 8 Std. pro Tag, also z. B. 7h 45min.) und tageweiser (8h und mehr) Verhinderungspflege – bei letzterer wird das Pflegegeld entsprechend gekürzt!
Zahlungen aus der Verhinderungspflege können nicht im Voraus von der Pflegekasse abgerufen aber bis zu 4 Jahre rückwirkend beantragt werden. Ein Muster für die Aufstellung von Ersatztätigkeiten während eines Jahres zur Weitergabe an betroffene Mitarbeiter finden Sie hier. Die Anträge selbst sind bei jeder Pflegekasse online zum Download, zum Beispiel hier für die AOK.
Entlastungsbetrag: 125€ monatlich zur Alltagsunterstützung
Um den Entlastungsbetrag nutzen zu können, muss zum Einen mindestens Pflegegrad 1 vorliegen und ein Erstattungs-Antrag bei der zuständigen Pflegekasse gestellt werden. Zum Anderen können diese zweckgebundenen und qualitätsgesicherten Leistungen als „Angebot zur Unterstützung im Alltag“ primär von Anbietern erbracht werden, die über eine entsprechende Anerkennung nach §45b SGB XI verfügen. Das sind zum Beispiel Betreuungsgruppen für Demenzerkrankte, Helfer*innen-Kreise, familienentlastende Dienste, Alltagsbegleiter, Pflegebegleiter und Serviceangebote für haushaltsnahe Dienstleistungen.
Update: Mit Veröffentlichung der GKV-Empfehlung vom 27.03.2020 können nun auch -vorerst befristet bis 30.09.2020- nicht-qualifizierte Helfer über den Entlastungsbetrag finanziert werden.
Wichtig hier zu wissen: Der Entlastungsbetrag kann auch angespart und bis zum 30.06. des Folgejahres verbraucht werden.
Kinderbetreuung bis 4.000€ steuerlich absetzbar
Beschäftige, die sich privat um eine Hilfe bei der Betreuung ihrer eigenen Kinder kümmern, können diese Kosten zu zwei Drittel, max. 4.000€ pro Jahr in der Einkommensteuererklärung geltend machen. Als Voraussetzungen gelten:
– das Kind lebt im Haushalt und hat das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet (ausgenommen bei Behinderung)
– es kann Kindergeld bzw. Freibetrag in Anspruch genommen werden
Pflegekosten steuerlich absetzbar
Eine Reihe von Kosten und Ausgaben für die private Betreuung von Pflegebedürftigen sind privat absetzbar, teilweise in voller Höhe. Unterschieden wird zwischen Kosten für Angehörige und Kosten für sich selbst bzw. Ehegatten.
Ausgaben für Haushaltsnahe Dienstleistungen können mit 20%, maximal 4.000€ pro Jahr geltend gemacht werden.
Auf ein Wort zum Schluss
Irgendwann wird auch diese Krise überwunden sein und eine neue Normalität Einzug halten. Spätestens dann sollten Sie die Situationen nochmals revue passieren lassen und überlegen, welche positiven Aspekte die veränderten Bedingungen während der Corona-Krise für die Abläufe und den Zusammenhalt im Unternehmen hatten.
Sicherlich wird es in einigen Betrieben mehr oder weniger gravierende Umstrukturierungen geben. Verlieren Sie dabei einen wichtigen Aspekt nicht aus den Augen bzw. nutzen Sie die Gelegenheit für eine einmalige Chance:
Sollten Sie die seit der Novellierung des Arbeitsschutzgesetzes 2013 rechtlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (§ 5 ArbSchG, Ziffer 6) noch nicht durchgeführt haben oder es steht aufgrund vorgenannter Umstrukturierungen eine Fortschreibung an, binden Sie Ihre Beschäftigten ein und ermitteln Sie clever und effizient auch den Bedarf an Unterstützungsleistungen für die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf.
Kein Mensch ist normalerweise in der Lage, die privaten Probleme zu 100% draußen vor der Tür zum Arbeitsplatz zu halten. Sie haben Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und Konzentration der Beschäftigten und unter Umständen auch Auswirkungen auf Kollegen im Umfeld. Alleine deshalb sollten Personalverantwortliche wissen, wo es hakt und wo es gut läuft. Das erfahren Sie am einfachsten über eine Online-Befragung nach den GDA-Leitlinien, die zusätzlich auch noch Aussagen über den Grund der Antworten liefert – detailliert und übersichtlich aufbereitet nach Peer-Groups wie z.B. Abteilungen oder Filialen.
Mit diesem Wissen und den daraus abgeleiteten Maßnahmen sind Sie bestens für die nächste Krise gerüstet.
Und die kommt. Fragt sich nur, wann.
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Der gesamte Beitrag inkl. separater Zusammenfassung zur Weitergabe an betroffene Beschäftigte steht hier für Sie zum Download zur Verfügung.
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Bitte beachten Sie:
Die aufgeführten Informationen sind möglichst kurz und prägnant verfasst und stellen keine Steuer- oder Rechtsberatung dar. Sie können eine individuelle Beratung durch die eigenen Steuer- und Rechtsanwaltskanzleien nicht ersetzen. Alle angebotenen Informationen verstehen sich somit ohne Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit.